Keine Panik: "Brennende Autos explodieren nie"
Gerät ein Fahrzeug in Brand, bleiben meist nur wenige Minuten Zeit zur Rettung. Die Temperatur steigt binnen kurzem auf mehr als 100 Grad an. Doch kaum jemand weiß sich im Notfall richtig zu verhalten. Viele haben Angst vor einer Explosion - zu Unrecht, sagen Experten.
Zuerst züngeln nur kleine Flammen aus dem Motorraum des Unfallwagens. Doch kurz darauf steht mit lautem Knall das ganze Fahrzeug in Flammen. Aus Actionfilmen sind solche Szenen bestens bekannt - spektakuläre Pyrotechnik gilt Filmemachern eben als Quotenbringer. Verkehrsexperten sind derartige "Special Effects" jedoch ein Ärgernis - zeigen sie doch ein völlig falsches Bild von der Realität. Denn in Wirklichkeit bleibt auch bei Extremunfällen wie einem Fahrzeugbrand genügend Zeit, um sich aus dem Auto in Sicherheit zu bringen - oder um als Ersthelfer verletzte Insassen zu retten.
"Brennende Autos explodieren nie", stellt Maximilian Maurer, Sprecher beim ADAC in München, klar. "Es sei denn, sie haben Sprengstoff an Bord." Vielmehr breite sich ein Brand langsam aus: Bis ein Wagen komplett in Flammen steht, vergingen bis zu acht Minuten. Das sei genug Zeit, um Verletzte zu befreien. Das bestätigten auch Versuche am Allianz Zentrum für Technik (AZT) in München. "Solange keine Flammen im Innenraum sind, sind Rettungsversuche möglich, Erfolg versprechend und für einen Helfer noch nicht mit einem erhöhten Risiko verbunden", stellten die Unfallforscher fest.
Allerdings haben nach Einschätzung von ADAC-Sprecher Maurer viele Autofahrer, die als Ersthelfer zu einem brennenden Fahrzeug kommen, die Explosionen aus Filmen im Kopf und trauen sich deshalb nicht näher heran. Hubert Paulus, Technikexperte am ADAC-Technikzentrum in Landsberg (Bayern), hält die Filmszenen daher für "fahrlässig": Die falsche Darstellung halte potentielle Ersthelfer möglicherweise vom Handeln ab, Verletzte würden dann im schlimmsten Fall nicht gerettet.
Dabei hat nach Angaben des Deutschen Verkehrssicherheitsrats (DVR) in Bonn die Rettung von Personen, die sich noch in einem brennenden Fahrzeug befinden, höchste Priorität. Schließlich können sie sich möglicherweise nicht mehr aus eigener Kraft befreien. Warum eine schnelle Rettung so wichtig ist, machten die Versuche des AZT deutlich: So stieg nach sechs Minuten Branddauer die Temperatur im Innenraum steil an und erreichte kurz darauf mehr als 100 Grad.
Nach sechseinhalb Minuten wird es ernst
Zeitgleich sank den AZT-Messungen zufolge die Sauerstoffkonzentration und die Kohlenmonoxidwerte erhöhten sich stark. Die Entstehung dieses geruchlosen Gases ist neben den Flammen die größte Gefahr, nicht nur bei einem Fahrzeugbrand: Es führt zum Ersticken. Nach sechseinhalb Minuten wurden im AZT-Versuch die Temperatur sowie die Gaskonzentrationen lebensbedrohlich.
Weil jedoch die meisten Fahrzeugbrände laut dem AZT durch technische Defekte im Motorraum entstehen - zum Beispiel durch heiße Motorteile, Funkenbildung, Kurzschlüsse oder undichte Ölleitungen -, können sie bevor sie auf den Innenraum übergreifen leicht mit einem Handfeuerlöscher gestoppt werden. Dabei sollten Ersthelfer jedoch nicht wahllos mit dem Strahl draufhalten, warnt ADAC-Sprecher Maurer: "Die Flammen müssen im Brandherd von unten bekämpft werden."
Um besser an den Entstehungsort des Feuers heranzukommen, empfiehlt der DVR, die Motorhaube einen Spalt breit zu öffnen und mit kurzen Löschstößen in den Motorraum zu sprühen. Ganz darf die Haube nicht geöffnet werden: Dadurch könne es zu Verpuffungen kommen und das Feuer durch zusätzliche Sauerstoffzufuhr angefacht werden.
Haben Ersthelfer keinen eigenen Feuerlöscher an Bord oder ist die Pulverladung nach dem ersten Löschangriff verbraucht, der Brand aber noch nicht gelöscht, rät Jürgen Bente vom DVR, einen Lkw- oder Busfahrer anzuhalten. Für Busse und Gefahrgut-Lkw sei es gesetzlich vorgeschrieben, einen Fünf-Kilo-Löscher mitzuführen.
Immer die Feuerwehr alarmieren
Vor eigenen Löschversuchen sollte jedoch die Feuerwehr verständigt werden. Nur sie kann ohnehin noch etwas ausrichten, wenn die Flammen bereits auf den Innenraum übergreifen oder Insassen eingeklemmt sind. In diesem Fall ist laut ADAC-Sprecher Maurer schweres Lösch- und Rettungsgerät erforderlich, das Autofahrer gewöhnlich nicht an Bord haben. Außerdem ist dann laut DVR-Mitarbeiter Jürgen Bente die Hitzeentwicklung meist schon so stark, dass Helfer ohne Schutzkleidung nicht mehr an das Auto herankommen.
Allerdings gehören Fahrzeugbrände nicht gerade zu den häufigsten Unfallarten. Laut Jürgen Bente vom DVR sind gerade einmal drei Prozent aller Unfälle mit einer Brandentwicklung verbunden. Nach Angaben des AZT haben der technische Fortschritt sowie die verschärften Brandschutzbestimmungen für Neuwagen zudem dazu geführt, dass die Quote in den vergangenen Jahren stetig abnahm.
Zwei Drittel aller Brandschäden entsteht den AZT-Forschern zufolge an Fahrzeugen, die sechs Jahre oder älter sind. Die Ursache lasse sich oft auf vermeidbare Wartungsmängel zurückführen. Viele Brandschäden an kaskoversicherten Autos hätten hingegen ganz andere Ursachen, mutmaßen die AZT-Experten: "zu hohe Leasingrate", "unverkäufliches Fahrzeugmodell" oder "teurer Motorschaden" - drei Erscheinungsformen des Versicherungsbetrugs also.
Felix Rehwald, gms
Quelle: Spiegel Online | Auto